Meilensteine auf dem Weg zur kinderfreundlichen Kommune (Serie im Fachportal: 1. Teil)

Ein Fachbeitrag von Prof. Dr. Roland Roth

Mit der UN-Kinderrechtskonvention wurden zentrale Prinzipien und Normen zur Berücksichtigung der Kinderrechte formuliert. Leider sind sie in vielen Unterzeichnerstaaten nur unzulänglich rechtlich verankert – auch in Deutschland. Das soll sich nun ändern. Der Entwurf des Koalitionsvertrags 2018 sieht vor, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Aber selbst wenn sie in Zukunft größere Rechtsverbindlichkeit erlangen, ist deren praktische Umsetzung eine permanente Aufgabe an allen Orten, wo Kinder leben. Gefordert sind allen voran Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik.

  • Kinderrechte im Alltag leben

Maßstab für alle Schritte zu einer kinderfreundlichen Kommune sind die Kinderrechte, wie sie in der auch von Deutschland unterzeichneten Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgehalten sind. Zentral geht es um die lokale Umsetzung der Selbstverpflichtung der Unterzeichnerstaaten, dem Kindeswohl in allen öffentlichen Angelegenheiten Vorrang einzuräumen und dies durch die Verknüpfung von Beteiligung, Fürsorge und Schutz zu verwirklichen. Kommunen kommt dabei eine wichtige Rolle zu, denn sie prägen den Alltag von jungen Menschen.

Kinderfreundlich ist eine Kommune in dem Maße, wie es ihr gelingt, die Kinderrechte praktisch umzusetzen und sie im Alltag zu leben – in der Kommunalpolitik und der Kommunalverwaltung, in öffentlichen Einrichtungen wie Spielplätzen, Kindergärten, Schulen oder Jugendzentren, in Kirchen, Vereinen und Sozialverbänden sowie im Alltag auf Straßen, Plätzen und Grünflächen.

Zentrale Normen der Kinderrechtskonvention sind bislang in Deutschland – wie in vielen anderen Ländern – nur unzulänglich rechtlich verankert. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die vielfältigen, bislang allerdings erfolglosen Initiativen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Aber selbst wenn sie in Zukunft größere Rechtsverbindlichkeit erlangen, ist deren praktische Umsetzung und Ausgestaltung eine permanente Aufgabe an allen Orten, wo Kinder leben.

Gefordert sind allen voran Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik. Mit ihren Vorgaben, Angeboten und Einrichtungen setzen sie wichtige Rahmenbedingungen. Aber letztlich sind bei der Verwirklichung einer kinderfreundlichen Kommune alle Akteur_innen der örtlichen Gemeinschaft gefragt. Die Umsetzung der Kinderrechte ist auch eine Angelegenheit von Familien, der lokalen Zivilgesellschaft, von Vereinen, Initiativen, privaten und öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen.

 

  • Zehn Meilensteine geben Akteur_innen Orientierung

Die folgenden Meilensteine auf dem Wege zu einer kinderfreundlichen Kommune wollen Anregungen für eine nachhaltige und strategisch angelegte Praxis geben. Sie sind nicht notwendig als eine verbindliche Abfolge zu sehen. Die Etappen werden von Ort zu Ort variieren. Sicher ist nur, dass die Meilensteine nicht auf eine Passhöhe führen, auf der es sich, ist sie einmal erreicht, ausruhen lässt. Einige dieser Etappen müssen immer wieder und von jeder nachwachsenden Generation aufs Neue gegangen werden.

Die zehn Meilensteine können und wollen die neun detaillierten Bausteine nicht ersetzen, die im Rahmen der UNICEF-Initiative „Kinderfreundliche Kommunen“ entwickelt wurden und für den damit verbundenen Zertifizierungsprozess obligatorisch sind. Überschneidungen sind allerdings unvermeidlich. Die hier vorgestellten Meilensteine sollen eine Orientierung für alle kommunalen Akteure anbieten, die sich dem Ziel der Kinderfreundlichkeit verschrieben haben oder noch verschreiben wollen.

 

  • Erster Meilenstein: Vorhandenes würdigen und gesetzliche Vorgaben angemessen umsetzen

Jede Kommune tut etwas für ihre Kinder und Jugendlichen. Sie bietet Kindergartenplätze an und kümmert sich um Schulen, betreibt eigene Kinder- und Jugendeinrichtungen und unterstützt freie Träger, Initiativen und Vereine bei ihrer Kinder- und Jugendarbeit. Das Vorhandene verdient Würdigung und Wertschätzung. Mit langen Mängellisten zu starten, schreckt eher ab. Wolkenkuckucksheime helfen nicht weiter. Schließlich geht es um einen längerfristigen Entwicklungsprozess, der ohne das Zutun der bereits vorhandenen Akteur_innen und der lokalen Gemeinschaft insgesamt nicht erfolgreich sein kann. Ihre Praxis, ihre Sichtweisen, Erfahrungen und Wünsche bilden eine wichtige Voraussetzung für weitergehende Initiativen.

Viele der kommunalen Angebote und Dienste sind bis ins Detail verpflichtend und durch Gesetze von Bund und Ländern geregelt – allen voran im Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfe), aber auch in Gemeindeordnungen, Schulgesetzen und vielen Einzelgesetzen. Kinderfreundlichkeit beginnt, wenn diese gesetzlichen Vorgaben gut und angemessen erfüllt werden und dies öffentlich sichtbar wird. Dies ist keineswegs selbstverständlich, gibt es doch auch in diesem Handlungsfeld mehr oder weniger große Vollzugsdefizite und noch größere Gestaltungsspielräume. Verpflichtendes gut umzusetzen, ist ein unabdingbarer erster Schritt auf dem Wege zu einer kinderfreundlichen Kommune.

Zahlreiche Jurist_innen, Kinderrechts- und Menschenrechtsorganisationen sind sich darin einig, dass dabei die Normen der UN-Kinderrechtskonvention bereits heute für das kommunale Handeln verbindlich sind. Sie bieten in jedem Fall den entscheidenden Orientierungsrahmen für alle Initiativen in Richtung kinderfreundliche Kommune.

 

Autor
Prof. Dr. Roland Roth, Hochschule Magdeburg-Stendal, Sachverständiger Kinderfreundliche Kommunen e.V.

 

Serie im Fachportal Weitere Meilensteine auf dem Weg zur kinderfreundlichen Kommune werden in den nächsten Wochen im Fachportal veröffentlicht. Der gesamte Beitrag lässt sich am Ende der Veröffentlichungen als PDF downloaden.