Schulisches Mobilitätsmanagement – sicher mobil, mit Plan

Ein Fachbeitrag von Katalin Saary

Die Förderung einer sicheren und nachhaltigen Mobilität von Kindern und Jugendlichen ist zu einer wichtigen kommunalen Aufgabe geworden. Für eine effektive Umsetzung dieser Aufgabe hat sich das „Schulische Mobilitätsmanagement“ bewährt. Es verbindet die Sicherung des Schulweges durch bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen mit der schulischen Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung. Davon profitieren nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Schulen, Eltern und die Kommune.

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Was Hänschen nicht lernt…

„Zu Fuß willst du zur Schule gehen? Bei dem Verkehr? Das ist doch viel zu gefährlich... Lieber bringe ich dich mit dem Auto hin!So oder so ähnlich denken viele Eltern. Damit tun sie ihren Kindern keinen Gefallen und prägen langfristig deren Mobilitätsverhalten.

„… lernt Hans nimmermehr“. Ob wir als Erwachsene Wege im Alltag gerne zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, hängt auch maßgeblich davon ab, wie wir als Kinder unterwegs waren und welche Qualitäten die Straßen, Räume und Plätze aus unserer Kindersicht aufgewiesen haben.

 

  • Kinder brauchen „Kinder-Wege“

Während wir – die Eltern- und Großelterngeneration – noch ganz selbstverständlich zur Schule liefen oder mit dem Rad fuhren und Nachmittags mit Freunden auf der Straße spielten, erleben viele Kinder heute ihre Umwelt vorrangig vom Rücksitz des elterlichen Autos aus. Das Problem: Die Kinder können so wichtige Erfahrungen und Fertigkeiten, wie das Abschätzen von Geschwindigkeiten oder die Orientierung im Umfeld nicht erwerben, die zur Sensibilisierung eines richtigen Verhaltens im Straßenverkehr beitragen.

Ein weiteres Problem stellen die Behinderungen dar, denen Kinder  auf ihren täglichen Wegen begegnen, die Autofahrenden aber verborgen bleiben. Dazu gehören: durch Gehwegparken und Mülltonnen verengte Wege, wie Querungen mit sichtbehinderndem Parken. Beide Situationen stellen ein Sicherheitsrisiko dar. Und das fördert den elterlichen Hol- und Bring-Dienst.

 

 

  • Elterntaxi: Das morgendliche Verkehrschaos

Besonders augenfällig ist die Veränderung der kindlichen Mobilität zu Schulanfangszeiten. Eltern schätzen im Vergleich zu früheren Jahren die Sicherheit auf den Schulwegen subjektiv als unsicher ein und entscheiden sich für das vermeintlich sicherste Verkehrsmittel für ihr Kind: das Auto.

Typische Gründe sind eine zu hohe Entfernung, ein als unsicher empfundener Schulweg oder das schlechte Wetter – aber auch die Bequemlichkeit („Die Schule liegt auf meinem Weg“).

Ausgeblendet wird dabei die negative Seite des elterlichen Hol- und Bring-Verkehrs zur Schule: die vielen Autos zu Schulbeginn gefährden die Kinder, nicht zuletzt bei undiszipliniertem Verhalten der Auto fahrenden Eltern.

So ist ein unglücklicher Kreislauf entstanden: Bewegungsmangel kann nachweislich zu Übergewicht und Diabetes führen, die motorischen Defizite lösen kognitive Defiziten aus und erhöhen das Unfallrisiko. Das wiederum schürt die Ängste der Eltern und es veranlasst sie, ihr Kind mit dem Auto zu fahren.

 

  • Schulisches Mobilitätsmanagement

Diesen Regelkreis will das Schulische Mobilitätsmanagement umkehren.Es verbindet als integrierte Strategie die Sicherung des Schulweges durch bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen als kommunale Aufgabe, mit der schulischen Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung, die soziale, gesundheits- und umweltpolitische Ziele verfolgen und Zusammenhänge zwischen Verkehr und Mobilität sowie natur- und gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen vermitteln.[1]

Abbildung 1: Handlungsfelder und Akteur_innen im schulischen Mobilitätsmanagement (Blees/ivm GmbH)

Information, Beratung und Motivation sowie geeignete Mobilitäts-Dienstleistungen sollen Kinder und Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte und Erzieher_innen dauerhaft in die Lage versetzen, möglichst ohne Auto mobil zu sein. Dies fordert verschiedene Akteur_innen, um die notwendigen geeigneten Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb der Schule – einschließlich der infrastrukturellen Rahmenbedingungen – zu schaffen. Ein gelungenes Mobilitätsmanagement in Schule und Kita erfordert das Zusammenspiel verschiedener Akteur_innen, mit unterschiedlichen Aufgaben.

Es umfasst drei Handlungsfelder:

Verkehrserziehung + Mobilitätsbildung: altersgerechte Vermittlung von Verkehr und Mobilität, um Kinder – und ihre Eltern – in die Lage zu versetzen, ihr Verkehrsverhalten zu reflektieren.

Infrastruktur + Verkehrsregelung: barrierearme und sichere Gestaltung von „Kinder-Wegen“- und Plätzen, zu Fuß und mit dem Rad sowie des ÖPNVs.

Organisation + Information: z.B. Bildung von Netzwerken, Erstellung von Schulmobilitätsplänen, Einbeziehung von Kindern bei Verkehrsplanungsprojekten oder Durchführung von Kampagnen.

 

  • Von der Fahrradprüfung bis zum Schulwegplan

Wir alle wünschen uns, dass Kinder eigenständig und sicher zur Schule kommen können. Allgemein bekannt ist die Radfahrausbildung, bei Eltern und Schüler_innen eher geläufig als „Radfahrprüfung“. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Radfahrausbildung in Klasse 4 erhalten die Schulen Unterstützung durch die Jugendverkehrsschulen (Polizei). An vielen Schulen gibt es auch Schulwegpläne[2], die Kindern und Eltern den sichersten Weg zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule zeigt.

  • Der Schulmobilitätsplan als Ergebnis der Zusammenarbeit von Kommune und Schule

Schulmobilitätspläne vereinen herkömmliche Schulwegpläne mit einer schulbezogenen Handreichung „Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung“, sowie zielgerichteten Handlungsansätzen und Maßnahmen zur Verbesserung von verkehrlichen Defiziten, auf Schulwegen aus Sicht der Kinder. Adressat_innen sind zum einen die Schulgemeinde und zum anderen die außerschulischen Akteur_innen, wie Kommune, Straßenverkehrsbehörde oder Nahverkehrsorganisation.

Schulmobilitätspläne stellen eine Win-Win-Situation für die Schulen, die Kinder, die Eltern und auch die Kommune dar. Und vielleicht ändert dadurch der eine oder die andere ganz nebenbei das eigene Mobilitätsverhalten.

 

 

  • Erfolg durch Kooperation aller Akteur_innen

Damit Schulisches Mobilitätsmanagement (SMM) erfolgreich ist, braucht es eine breite Basis. Hier hat sich die Bildung eines Arbeitskreises oder eines Netzwerkes bewährt, in dem alle beteiligten Akteur_innen vertreten sind (siehe Abb. 1). Die unterschiedlichen Blickweisen wirken dabei positiv auf die Verankerung und Umsetzung der Ziele des Schulischen Mobilitätsmanagements – unabhängig davon, ob es sich um einen Arbeitskreis anlässlich der Erstellung eines Schulmobilitätsplanes handelt oder um ein übergeordnetes stadt- oder kreisweites Netzwerk. Positive Beispiele sind das Netzwerk Schule + Mobilität in Darmstadt/Darmstadt-Dieburg und der Arbeitskreis „Schulisches Mobilitätsmanagement“ in Offenbach am Main.

 

  • Kommunen als Kümmerinnen

Schulisches Mobilitätsmanagement ist ein idealer „Kristallisationspunkt“, um Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung zu fördern. Darüber hinaus leistet es einen Beitrag zu sozialer (Sicherheit, Gesundheit), ökologischer (Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel) und ökonomischer (ressourceneffiziente Verkehrsmittelnutzung) Nachhaltigkeit in den Kommunen.

Erforderlich ist dafür der Wille der Politik, das Thema anzupacken, und ein konkretes Mandat in Person eines Kümmerers.

Seit 2018 gibt es in Hessen mit dem Fachzentrum Schulisches Mobilitätsmanagement der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) ein landesweites Angebot mit Bausteinen zur Beratung, Qualifizierung und Umsetzung. Es hilft Schulen, Schulträgern und Kommunen hessenweit Schulisches Mobilitätsmanagement umzusetzen, strukturell zu verankern und langfristig zu verstetigen.

 

Fazit

Kinder möchten gerne selbstständig zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule gehen, sie nutzen diese Zeit mit den Freunden zum Reden, sie sehen Dinge, an denen wir Erwachsene achtlos vorbeirasen, auch stören sie sich nicht an vermeintlich schlechtem Wetter. Unterstützen wir sie dabei!

 

[1] Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i. d. F. vom 10.05.2012: Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule

[2] In manchen Ländern sind sie sogar Pflicht; weitere Infos: www.schulwegplaene.de/regelungen.html


 


Literatur:

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) [Hg.], 2018: Stadt(t)räume von Kindern – Kinderorientierte Stadtentwicklung. Berlin

Blees, Volker; Vogel, Jens; Wieskotten, Greta; ivm GmbH [Hg.], 2013: Handbuch Schulisches Mobilitätsmanagement. Schriftenreihe der ivm, Nr. 2., Frankfurt

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) [Hg.], 2012: Hinweise zur Beteiligung und Kooperation in der Verkehrsplanung. Köln

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) [Hg.], 2010: Hinweise zur Integration der Belange von Kindern in die Verkehrsplanung, Köln

Fachzentrum Schulisches Mobilitätsmanagement; Hessen: www.besserzurschule.de, Zugriff, 26.01.2019

Netzwerk Schule + Mobilität Darmstadt/Darmstadt-Dieburg: www.netzwerk-move.de, Zugriff 26.01.2019

 

Autorin

Dipl.-Ing. Katalin Saary ist Inhaberin des Büros Mobilitätslösung in Darmstadt mit Schwerpunkt auf integrierte Mobilitätskonzepte, Verkehrsplanung und Straßenraumgestaltung sowie Beteiligung; Bundesvorstand FUSS e.V. – Fachverband Fußverkehr Deutschland und Sachverständige Kinderfreundliche Kommunen e.V.